Sonntag, April 22, 2007

22.04.2007, Tod einer Blase

Untertitel : Die Odyssee einer normalerweise kurzen Reise in einen fremden Kanton.


Wie Sie das Campii bereits kennen, herrscht bei ihm eine Art Kleingeist, eine Kurzsichtigkeit, begrenzt durch die Scheuklappen der gutbürgerlichen schweizer Landesgrenzen. Daher entschloss es sich, zur Freude der Familie und der heiligen Pflicht, Mutters Wünsche an ihrem Geburtstag zu erfüllen, den unspektakulären Trip in richtung tiefsten Süden zu wagen. In die Hölle der Mafia, in den wilden Westen der kleinbürgerlichen Eidgenossenschaft, in den Vorhof des Kriminalismus, wo Bignasca quasi Gesetz ist und wild in die Luft geballert werden kann, also ins sonnige Tessin, welches, unerwarteterweise, gar nicht immer so sonnige Eindrücke hinterliess.
Nun denn, die Geschicht' soll handeln von einer Blasenodyssee, wie sie so noch nicht gekannt, von einer Fahrt ins Blaue, die dann klarerweise doch eher gelblich endete. Genug der Wortspiele, auf ins Geflecht.
Der sonnigen freitäglichen Nachmittage vieler hält das Jahr bereit, aber nur wenige, deren Glanz und Wärme den Äther schon um die Jahreszeit bestrahlen, als Bäume und Sträucher zu grünen beginnen, der Osterhase erst gerade weggehoppelt und der Grill noch kaum aus dem Keller geschleift. An eben diesem gleissenden Nachmittag sich das Campii und dessen Schwester auf in des schweizer Südens machten, voller Erwartung in noch mehr Wärme, noch besserer Bräune und perfekt gelierteren Haaren. Nicht, dass sie derart gut vorwärts kamen, aber der Verkehr auf den Pflastersteinen hielt sich flüssig und käumlich gedachte ein Bauer, seinen Heuwagen vor die beiden Reisenden zu platzieren. Ohne grössere Verzögerungen wurde das Tal im urnerischen Schatten kleiner und schmaler, die Hügel wurden zu Bergen und bedrohlich neigten sich die Felsen gegen das Sonnenlicht. Dessen nicht überdrüssig setzten die Vagabunden ihre freundliche Reise fort und genossen die mannigfaltig Landschaft, welche sich ihnen erbot, während sie aus ihrem Gerät hübsche Musik aus dem wilden Westen vernahmen. Nicht dass der Schwester jämmerlich Mitjaulen mit den gängigsten Melodien schon genug gewesen wäre, nein, das Campii traf mit einem Male, kurz vor dem grossen Loch, das Nord und Süd miteinander verband, auf eine Ansammlung hintereinander stehender Verkehrsmittel, die sich käumlich mehr zu bewegen schienen. Rundherum entstiegen die Leute ihren Gefährten, um sich einen Überblick über die stehende Kolonne zu veschaffen, welcher aber meist nur bis zum nächsten niederländischen Wohnmobil reichte. Nichts desto trotz, die heitere Stimmung, die zum Anfang der Reise geherrscht hatte, hielt noch einige Zeit vor, bis sich alsbald der Blasendruck der zuvor konsumierten Flüssignahrungsmittel bemerkbar machte, aber nirgends auch nur in der Nähe ein Scheisshaus zu sehen war. Zu allem Übel setzte sich die Blechlawine im Schritttempo in Bewegung und kam an der wohl für ein Geschäft ungünstigsten Stelle wieder für eine geraume Zeit, die mit steigendem Druck exponentiell langsamer zu verstreichen schien, zum stehen : In einer überdachten Betonröhre, wo es für die damalige Zeit weder Toitoi, noch WC-Ente gab. Der Unmut war schon soweit gediehen, dass sich die zwei Gefährten nach Notfalllösungen für ihr unvertagbares Geschäft umsuchen mussten, und ihre Gedanken dabei über zweckentfremdete Flaschen, Betonpfeiler, Cartoiletten, Kofferräume und andere Gegenstände, die in irgendeiner Weise Flüssigkeit aufnehmen konnten, kreisten.
Das grüne, Licht, das da in dem Frühlinge so grünte und Ihnen die Einfahrt in eine mehrere tausend Ellen lange Unterführung signalisierte, kam vor wie eine Erlösung zur Weiterfahrt einerseits, doch war ihnen auf der anderen Seite jegliche Möglichkeit entnommen, sich des Weges zu drücken und für einen kleinen Halt die nahe Böschung aufzusuchen.
So preschten sie, alsbald das dunkle Finsterloch hinter sich gelassen, der nächsten Rast entgegen, wo sie, gepeinigt durch die unendliche Qual ihrer beider Blasen, die Gaststätte stürmten und sogleich die Urinale als ihr Territorium markierten.
Erleichtert und völlig erschöpft vom innerlichen Kampf mit Niere und Blase, konnten sie nun ihre Reise, abwärts der verlassenen, unseligen Leventina fortsetzen und weitersaufen, als ob nie etwas gewesen wäre.

Dennoch ist hier aller Blasen Ende.