Sonntag, November 26, 2006

26.11.2006, Reden, damit etwas gesagt ist

Sie kennen das bestimmt : Man ist bei einem gemeinsamen Abendessen, also in einer mehrköpfigen, bisweilen vielschichtigen Gruppe und führt sich ein reichhaltiges Mahl zu Gemüte, abgerundet mit einem guten Gläschen Wein. Die Stimmung ist ok, die Schweigenden füllen die nicht vorhandenen Lücken derjenigen, die sich gerne reden hören, und jeder ist zufrieden. Jeder ? Nicht ganz. (Ganz Gallien ? Nein! Ein von unbeugsamen Galliern bevölkertes Dorf…..lassen wir das mit den Comic-Heften)
Alles wäre in Ordnung, die Gespräche laufen wie geschmiert, keine Anzeichen eines bevorstehenden Konfliktes, oder eines unterhaltsamen Meinungsstreits. Für den aufmerksamen Zuhörer also fast schon langweilig. Wenn da nicht diese zwei zuweilen penetrant agierenden Laiendarsteller wären, sich künstlich füreinander interessieren, sich zu verkaufen versuchen, wie sie nicht sind und allenfalls im besten Fall gerne wären. Nicht nur, dass keiner von den beiden überhaupt einen Satz beenden könnte, ohne schon mit dem nächsten angefangen, geschweige denn darüber nachgedacht haben. Nein. Sie tun in den Redepausen sogar so, als ob sie nicht völlig mit sich selbst beschäftigt wären und nicken ab und zu zustimmend mit dem Kopf, damit nicht auffällt, dass sie eigentlich schon gerne selber wieder von sich reden würden.
Sie haben gemerkt, Beobachtung und die subjektive Interpretation dazu ist etwas Herrliches. Man würde gerne aufgrund der dauernden Selbstbeweihräucherung weghöre, aber die Ironie der Sache lässt einen weiter zuhören.
Doch da ! Was war das ?! Ich konnte es auf den ersten Moment gar nicht glauben, aber es war Realität ! Ich konnte es hören, sie war da ! Stille ! Wohltuende Stille. In dem Augenblick, der für mich so überraschend gekommen war wie der sprichwörtliche Schnee im Sommer, befand ich mich in einem schwebenden Zustand, alles um mich herum verschwamm, wurde schön, wurde paradiesisch, surreal. Die Wirkung von Valium kann nicht stärker sein.
Doch, und auch das werden Sie als aufmerksame Leser sicher schon erwartet haben, der Zustand hielt sich nur eine kurze Zeit, bevor der erstarrte Wasserfall wieder zu sprudeln begann. So war für mich auch die Frage, die auf die Stille folgte, mindestens genauso dämlich, wie der vorangegangene Smalltalk : „Und was meint unser schweigender Zeitgenosse dazu ?“
Im Kern der Frage, die übrigens an mich gerichtet war, konnte ich eine Reaktion auf die vorher für die beiden Täubchen wohl peinliche Stille ausmachen. Ich überlegte. Der schweigende Zeitgenosse wäre nicht der schweigende Zeitgenosse, wenn er diese dümmste aller Fragen einfach so beantworten würde. Kam dazu, dass die Zeit wohl kaum mein „Genosse“ ist, sie ist kein Russe.
So fühlte ich mich in der gesellschaftlichen Pflicht, dem werten Gegenüber doch eine wenn auch kurze Antwort zu geben, um Wasserfall Nr.1 nicht im Regen stehen zu lassen und die neugierig wartenden Blicke von mir abzulenken. Also galt es, sich innert Sekundenbruchteilen zu einer wenigstens halbwegs abweisenden Antwort durchzuringen. Meine erste Reaktion stellte sich nach reiflicher Überlegung nicht als die beste heraus. „Nix verstehe !“ War schon mal nicht schlecht, aber zu wenig glaubwürdig. „Wie bitte, werter Herr, ich habe Ihrer Unterhaltung schmählicherweise nicht beigewohnt und weiss nicht, um was es geht“ wäre eine glatte Lüge gewesen. Ich entschied mich also nach dem sorgfältigen Abwägen der Antworten am Schluss für eine elegantere : Jemand anderen zunicken mit den Worten :“Ich glaube, er meint Dich“
So kam es, dass dieser jemand zwar etwas sagte, meine beiden neuen Freunde sich aber alsbald wieder mit sich selber unterhielten und dem Wasser seinen Lauf liessen.
Ich hatte meinen Teil der Konversation beigetragen und durfte nun wieder gespannt zurücklehnen. Gespannt auf weitere endlose Laberdiskussionen über Unsinn und Si……….. …..nein, nur über Unsinn.